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AutorenbildThomas Röhrßen

Bereichsleitende Oberärzte - die Chief Operating Officer im Klinikmanagement

Aktualisiert: 2. Jan.

ein Beitrag von Prof. Dr. Michael Buerke und Thomas Röhrßen



Die Versorgungsqualität von Kliniken hängt nicht nur von der herausragenden Fachexpertise, strategischen Intelligenz und Führungskompetenz der Klinikchefs ab. Nach innen und außen spielen die Oberärztinnen und Oberärzte ebenfalls eine tragende Rolle im Klinikmanagement. Als exponierte Leistungsträger bilden sie das „Rückgrat der klinischen Versorgung“. Als Dreh- und Angelpunkte der Klinikorganisation wird ihr Managementprofil allerdings häufig nicht präzise genug bestimmt und sie selbst in dieser Führungsposition nicht immer gezielt gefordert und gefördert.


Die Rolle der Oberärzte in deutschen Kliniken


Erfolgreiche Oberärzte profilieren sich über eigene Leistungsschwerpunkte, nehmen entscheidenden Einfluss auf die Struktur und klinische Prozessqualität, sind fachkompetente und organisatorische Ansprechpartner für die Einweiser, unterstützen den Chefarzt effektiv in der Personalarbeit und sorgen für einen starken Zusammenhalt im ärztlichen Team. Aus unserer Sicht wird die Oberarztrolle noch viel zu sehr über die Kriterien einschlägiger Tarifwerke definiert. Diese Tarifwerke sehen als Kernmerkmal der Oberarztposition die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. für medizinische Spezialfunktionen, welche durch eine erfolgreich abgeschlossenen Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung per Qualifikationsnachweis abgesichert ist.


„In der klinischen Praxis überwachen Oberärzt*innen als zentraler Ansprechpartner die Assistenzärzte bzw. die Ärzte in Weiterbildung und stehen für fachliche Rückfragen zur Verfügung. Sie sichern die fachliche Qualität in der Regel auch im Nacht- und Wochenenddienst als 'Hintergrundärzte' ab. Das alles sind sicherlich notwendige, aber aus unserer Sicht noch lange nicht hinreichende Voraussetzungen für eine professionelle Positionierung von Oberärzt*innen in unserer Zeit. Ohne klares Führungsprofil geraten die Oberärzt*innen in den Kliniken in die typische Sandwich-Position: ein 'Opfer' der zunehmenden Anforderungen der leitenden Ärzte von oben und der wachsenden Bedürfnisse und Erwartungen junger Assistent*innen von unten.“



In einer erfolgreichen Klinik sind folgende zentrale Funktionen der Oberärzte klar ausformuliert und profiliert:

  • "Fachexpert*in und Spezialist*in mit eigenem Profil Erfolgreiche Klinikchefs erwarten auch von ihren Oberärztinnen und Oberärzten mehr und mehr eigene fachliche Profilierungen im Markt, die über besondere klinische Qualifikationen verfügen und nicht nur in Spezialsprechstunden, sondern auch über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, über Patientenveranstaltungen und Einweiserkontakte sowie die Repräsentation eigener Zentren und Behandlungseinheiten widerspiegelt.

  • Strategiepartner*innen Oberärzt*innen sind strategische Sparringspartner für die Chefärztin/ den Chefarzt. Sie unterstützen ihn/sie bei der Analyse und Weiterentwicklung des Leistungs-, Qualitäts- und Markenprofils sowie der medizinischen Konzeption der Klinik – teilweise auch durch selbst verantwortete medizinstrategische und fachlich-konzeptionelle Ansätze.

  • Medizinökonomische Controller*innen Oberärzt*innen unterstützen ihre Chefs bei der Überwachung der Leistungs-, Qualitäts-, Erlös- und Kostenentwicklung der Klinik. Sie beobachten Abweichungen in den Kennzahlen, schlagen Maßnahmen vor und überprüfen die Effekte.

  • Networkpartner*innen Oberärzt*innen unterstützen die leitenden Ärzt*innen durch loyale Beziehungs- und Netzwerkarbeit zu anderen Berufsgruppen und Kliniken im Haus, zu niedergelassenen Ärztinnen/ Ärzten und anderen Krankenhäusern sowie zu wichtigen regionalen Kooperationspartnern. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der fallbezogenen Kommunikation gegenüber Einweisern.

  • Qualitätssicherungsfunktion Oberärzt*innen unterstützten die leitenden Ärzt*innen bei der Sicherung der medizinischen Qualität der Klinik. In der klinischen Praxis übernehmen sie eine zentrale Verantwortung bei der fachlichen Überwachung und Qualifizierung der Assistenzärzt*innen durch geeignete Maßnahmen (z.B. Einarbeitung und individuelles Teaching, Facharztvisiten, Kurvenvisiten). Sie können im Auftrag und orientiert an den jeweils aktuellen fachwissenschaftlichen Leitlinien medizinische Diagnostik- und Behandlungsstandards für die Klinik erarbeiten, die von den leitenden Ärzt*innen überprüft und freigegeben werden. Sie können die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Klinik mit gestalten, planen und überwachen.

  • Organisations- und Compliancefunktion Oberärzt*innen leiten in der Regel einen klar zugewiesenen Klinik-, Funktions- oder Stationsbereich. In diesem Bereich sind sie dann meistens auch zuständig für die Planung und Steuerung der Kapazitäten (z.B. Planung und Steuerung der OP-, Interventions-, Funktions-, Ambulanz- oder Diagnostikeinheiten, Aufnahmeplanung und Belegungssteuerung etc.). Sie analysieren die klinischen Prozesse und entwickeln Vorschläge zur Organisationsentwicklung. In ihrem Bereich sind sie häufig auch zuständig für die Einhaltung der betrieblichen und gesetzlichen Bestimmungen (z.B. Compliance bezogen auf Datenschutz, Hygiene, Medizinisches Produktegesetz etc.).

  • Personalmanager*in Oberärzt*innen unterstützten die leitenden Ärzt*innen bei der Entwicklung der Personalstrukturen (z.B. Assistenzarztrotation, Dienstzeitmodelle, Bereitschaftsdienststrukturen etc.) sowie der Personaleinsatzplanung (Dienst- und Urlaubsplanung). Sie übernehmen in der Personalführung Verantwortung für die niedrigschwelligen Führungsmaßnahmen wie Anweisung und Anleitung, Feedback- und Fördergespräche, Kritikgespräche bei geringeren Abweichungen etc. Sie weisen die leitenden Ärzt*innen auf gravierende und häufige Abweichungen bezogen auf Leistung, Verhalten und Einstellungen einzelner Mitarbeiter*innen hin; sie unterstützen die leitenden Ärzt*innen aber auch bei Führungsmaßnahmen wie Personalauswahl, Weiterbildungs- und Entwicklungsgespräche (nach § 8 der Weiterbildungsordnung), Konfrontationen und disziplinarrechtliche Konsequenzen etc. (vgl. Weisungs-, Kritik- und Mahnstufen in Kap. 8.2 ).“





Leitende Oberärzte oder Bereichsleitende Oberärzte als die Chief Operating Officer einer Klinik - Verantwortungsdiffusion oder „Management by Delegation”?

Der Leitende Oberarzt bzw. die Leitende Oberärztin übernimmt in enger Anbindung an die Chefarztposition in der Regel nicht nur die Vertretung des Chefarztes bei Abwesenheit, sondern normalerweise auch eine zentrale organisatorische und personelle Steuerungsfunktion im klinischen Tagesgeschäft.

In mittleren und größeren Kliniken sehen wir mit der Etablierung nur einer Leitenden Oberarztfunktion eine problematische hierarchische Zuspitzung in der Verantwortungsstruktur. Hier empfehlen wir die Etablierung einer (weiteren) Führungsebene von Bereichsleitenden Oberärzten mit umfassendem Aufgaben- und Kompetenzprofil bezogen auf fachliche, organisatorische und personelle Kompetenzen. Diese sind dann auch organisatorisch weisungsbefugt gegenüber den in ihrer Organisationseinheit tätigen Oberärzt*innen und Assistenzärzt*innen.


Bei der Abgrenzung der Profile von Chef*ärztinnen und Bereichsleitenden Oberärzten/Oberärztinnen führen wir hier gern in Analogie zu zeitgemäßen Managementstrukturen von Unternehmen die Unterscheidung zwischen „Chief Exekutive Officer“ (CEO) und „Chief Operating Officer“ (COO) ein. Bei diesen Rollen beziehen wir uns rein auf die Managementfunktionen und nicht auf die persönliche Leistungserbringung der Chef- und Oberärzt*innen in der direkten Patientenversorgung.

Der Chief Exekutive Officer (CEO) einer Klinik nimmt eine geschäftsführende Verantwortung in der Klinikführung ein, d.h. er/ sie steht für die strategische und fachliche Ausrichtung der Klinik innerhalb der lokalen, regionalen und überregionalen Versorgungslandschaft einschl. der Profilierung der Klinik gegenüber den relevanten Mitbewerbern. Der Chief Exekutive Officer (CEO) trägt neben der strategisch-fachlichen auch die wirtschaftliche Verantwortung der Klinik (Leistungen, Erlöse, Kosten etc.).

Der Chief Operating Officer (COO) einer Klinik bzw. eines klinischen Organisationseinheit leitet das operative Geschäft in diesem Verantwortungsbereich. Er/sie überwacht die fachliche Qualität und die Wirtschaftlichkeit in der Leistungserbringung. Er/sie sorgt dafür, dass die fachliche Qualität im Alltagsgeschäft stimmt, das klinische Betriebskonzept eingehalten wird sowie die klinischen Prozesse einwandfrei koordiniert und der ärztliche Personaleinsatz optimiert werden. Der COO trifft keine strategischen Entscheidungen über die Ausrichtung und Positionierung der Klinik, bringt sich aber als Reflexionspartner und Berater in den strategischen Dialog ein.


Wenn die Rollen, Aufgaben und Kompetenzen nicht klar definiert werden, kann es zwischen der Rolle der Chef*ärztinnen einerseits sowie der (Bereichs-) Leitenden Oberärzt*innen andererseits zu einer organisatorischen Verantwortungsdiffusion kommen.


„Organisatorische Verantwortungsdiffusion ist immer dann gegeben, wenn in einer Klinikorganisation objektiv formal (‚de jure‘) und/oder in der subjektiven Wahrnehmung mehrerer Mitglieder real (‚de facto‘) organisatorische Unklarheiten und/oder Widersprüche bestehen – und zwar bezogen auf Funktionen, Rollen, Aufgaben, Verantwortung, Zuständigkeiten, Kompetenzen sowie der damit verbundenen Haftung bei negativen Abweichungen. Ist die Verantwortung auf viele Beteiligte übertragen oder auch nur gefühlt unklar, kann dies zu Kompetenzgerangel, Missstimmungen, Verzögerungen oder Unterlassungen bei wichtigen Entscheidungen und Maßnahmen im Klinikalltag führen.“



Chefärzt*innen müssen nicht nur die Aufgaben- und Kompetenzbereiche klar ausformulieren und „abstecken“, sondern auch in ihrem Führungsverhalten lernen, Aufgaben und Kompetenzen mit der entsprechenden Verantwortung komplett abzugeben sowie den Kompetenzbereich der (Bereichs-) Leitenden Oberärzt*innen im Alltag zu respektieren. Spontane willkürliche oder unreflektierte Eingriffe in den nachgeordneten Verantwortungsbereich destabilisieren die Struktur und untergraben die Autorität der nachgeordneten Führungskräfte.


Das Prinzip „Management by Delegation“ beinhaltet also

1. die strukturelle Verankerung von klaren Verantwortungsbereichen und Handlungsspielräumen in der Organisation, die mit geeigneten Instrumenten schriftlich fixiert werden (z.B. Aufgabenprofil oder Aufgaben- und Kompetenzmatrix)

sowie

2. die konsequente Einhaltung des Delegationsbereichs im alltäglichen Führungsverhalten, d.h. das emotionale Loslassen-Können, das Vermeiden von „spontanen Übergriffen“, aber auch das Nicht-Zulassen von Redelegationsversuchen der nachgeordneten Führungskräfte („Wie kann ich Sie unterstützen, ohne dass ich die Aufgabe und Verantwortung gleich selbst übernehme?“).


Der Chefarzt bzw. die Chefärztin legt die Aufgaben- und Kompetenzregelungen sowie die klinischen Betriebskonzepte für die einzelnen Bereichen fest, trifft schriftliche Zielvereinbarungen mit den Bereichsleitenden Oberärzt*innen, führt regelmäßige Personalentwicklungsgespräche und greift innerhalb fixierter Regelungen ab einer bestimmten Kritikstufe (Mängelrüge und schriftliche Anweisung bei wiederholten Abweichungen, Konfrontation mit Ankündigung von Konsequenzen, Ermahnung etc.) in die Personalführung von Ärzten ein.



Bereichsleitende Oberärzte in der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistischer Intensivtherapie der Marien Kliniken Siegen


Wir empfehlen die Erstellung eines Klinikorganigramms (hierarchisch-funktionales Organisationsdiagramm) mit eindeutiger Zuordnung von Bereichen sowie Aufgabenverantwortung in ausführlich beschriebenen Aufgabenprofilen.


„Ein Aufgabenprofil legt die konkreten Aufgaben und Kompetenzen in den einzelnen Positionen fest. Dabei wird unterschieden zwischen den allgemeinen Zielsetzungen, die in dieser Position realisiert werden sollen (z.B. „Der Positionsinhaber hat seine Aufgaben so wahrzunehmen, dass ärztliche Mitarbeiter im Rahmen der Weiterbildungsordnung fachkompetent angeleitet, unterstützt und gefördert werden „), den Kompetenzen (z.B. „Er überwacht…“) und den Aufgaben („…die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, Betriebsvereinbarungen und geltender Richtlinien im ärztlichen Dienst des zugeordneten Organisationsbereichs wie z.B. Datenschutz, Arbeitssicherheit, Arbeitszeitgesetz, Betäubungsmittelgesetz, Medizinisches Produktegesetz, Hygienerichtlinien, Strahlenschutzverordnung etc.)“


In der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistischer Intensivtherapie der Marien Kliniken Siegen haben wir in einem gemeinsamen Projekt eine Klinikorganisation mit der Etablierung von Bereichsleitenden Oberärzten umgesetzt, die in dem nachfolgenden Organigramm dargestellt ist:


Abb. Organigramm der Medizinischen Klinik II der Marien Kliniken Siegen



Das detaillierte Aufgabenprofil eines Bereichsleitenden Oberarztes als Praxisbeispiel finden Sie in Th. Röhrßen und D. Stephan. Leadership Performance Krankenhaus. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin 2021. S. 189-194.



Fazit


Die Oberarztrolle in deutschen Kliniken ist schon immer ein zentraler „Dreh- und Angelpunkt im klinischen Tagesgeschäft“. Wenn Krankenhausmanagement und Klinikchefs diese Position bezogen auf die fachlichen, konzeptionellen, organisatorischen, personellen und führungsbezogenen Managementaufgaben in klar definierte Delegations- und Verantwortungsbereichen weiter profilieren, werden Oberärzt*innen nicht nur als fachlich versierte Leistungsträger in der Patientenversorgung abgeholt, sondern können als herausragende Klinikmanager*innen die Kliniksteuerung und -entwicklung optimal unterstützen.

In mittleren und größeren Kliniken und in Universitätskliniken sollten – als Ersatz oder Ergänzung zur Position des Leitenden Oberarztes - Bereichsleitende Oberärzte mit herausragendem Managementprofil und -potenzial eine umfassende bereichsbezogene Führungsverantwortung übernehmen, um den Erfolg der Klinik zu sichern.


Prof. Dr. Michael Buerke (Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie) ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin in den Marien-Kliniken Siegen.

Die Klinik gilt mit ca. 100 Betten, jährlich etwa 6000 stationären Fällen und 1500 ambulanten Fällen sowie jährlich 3500 invasiven Untersuchungen als eine der größten nichtuniversitäre Kardiologien in Nord-Rhein-Westfalen.


Prof. Buerke ist Mitbegründer des Herz- und Kreislaufzentrums Südwestfalen und hat die strategische Positionierung sowie Organisationsentwicklung seiner Klinik in den letzten Jahren mit Unterstützung durch die roehrssen consult GmbH erfolgreich umgesetzt einschließlich der Implementierung einer neuen Führungsorganisation mit Bereichsleitenden Oberärzten.



Thomas Röhrßen ist Dipl.- Psychologe, Coach, Leadership-Experte und Unternehmensberater. Er führt seit 1987 Projekte zur Strategie- und Struktur-entwicklung, zur Personal- und Kulturentwicklung sowie Führungstrainings und Coaching in Krankenhäusern und Hospitalgruppen durch.


Als Leadership Experte hat er ein psychologisch-fundiertes Führungskonzept für Leitende Ärzte und Ärztinnen entwickelt (vgl. Röhrßen/ Stephan. Leadership Performance Krankenhaus. Berlin 2021), das evidenzbasierte Erkenntnisse der Führungs-, Kommunikations- und Neuropsychologie integriert.


Seit 30 Jahren berät er das Krankenhausmanagement und Klinikchefs bei der Konzeption und Entwicklung der Führungs- und Organisationsstrukturen „ihrer“ Kliniken und Zentren.


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